Marie-Anne Lerjen – Kabine, berge mich, ich rufe dich

Vernissage 20. Februar 2025, Einführung startet Punkt 18.45 Uhr (anschliessend Performance)




Mit dem Ausstellungstitel Kabine, berge mich, ich rufe dich scheint die Künstlerin Marie-Anne Lerjen, die Telefonkabine von ring ring zu vermenschlichen. Sie fleht sie namentlich an, so dass das Objekt, die Kabine, zum Subjekt wird und aufgefordert ist, Schutz zu bieten. Zum ersten Mal ist die Kabine für die ring ring-Besucher*innen begehbar. Auch wenn die Telefonkabine längst ihrer ursprünglichen Funktion enthoben worden ist – diejenige des ungestörten Festnetz-Fernsprechens –, bietet sie so dennoch wieder einen geschützten Raum. Auch die Telefonkabinen, die nach wie vor überall in der Stadt stehen, ermöglichen diesen Schutz und sind zudem noch funktionstüchtig. Sechs Performer*innen, die Marie-Anne Lerjen für die Vernissage engagiert hat, rufen sie aus ebensolchen Kabinen von unterschiedlichen, selbst gewählten Standorten im Fünfminuten-Takt auf ihr Handy an. Um Punkt 19 Uhr klingelt es erstmals und im jeweiligen Kurzgespräch wird die Umgebung beschrieben. Auf eine Tafel im Innern der Kabine notiert die Künstlerin die sechs Telefonnummern, währenddessen die Performer*innen sich zu Fuss auf den Weg zur Ausstellung machen. Wie lange es dauern wird, bis alle am selben Ort eintreffen, hängt vielleicht auch davon ab, ob sie ähnlich wie Robert Walser beobachtend gehen: «Ohne Spazieren würde ich gar keine Beobachtungen und gar keine Studien machen können»1
oder aber, ob sie möglichst schnell und ohne Umwege zum Ziel kommen. Offen bleibt, ob sich Personen während der Ausstellungsdauer in die offene Kabine begeben und es wagen, eine der sechs Nummern anzurufen. Und auch, ob gegebenenfalls am anderen Ende der Leitung jemand antworten wird. Wo die Kabinen stehen, von denen aus die Performer*innen zur Eröffnung telefonieren, erfährt man an der Finissage. Hierfür lädt die Künstlerin das Publikum zu einem gemeinsamen Stadtspaziergang zu den sechs Kabinen ein, auf dem nicht nur beobachtet und studiert, sondern auch über Distanz nachgedacht wird.

1 Robert Walser: Der Spaziergang. Erstfassung 1917. Suhrkamp. 16. Auflage. Zürich 2021, S. 50.

Text: Sibylle Meier

Marie-Anne Lerjen, lebt und arbeitet in Zürich. 2011 hat sie «lerjentours. Agentur für Gehkultur» in Zürich gegründet. Als Spazierkünstlerin hat sie sich dem gehenden Experimentieren verschrieben. Viele von ihr entwickelten Walks gehen der Frage nach, wie man durch die Art, wie man zusammen spaziert, die Wahrnehmung der Orte verstärken kann. Andere Projekte nehmen auf soziale und interaktive Aspekte des Spazierens Bezug oder schöpfen aus der Kunst- und Kulturgeschichte des Gehens. Sie performt, spricht und schreibt über Aspekte des gehenden Weltzugangs und ist Mitglied des International Walking Artist Networks.

Bild und Text: Marie-Anne Lerjen


Finissage mit Tele-Walk
Samstag, 29. März 2025, 13 Uhr
Treffpunkt: ring ring, Basislager, Aargauerstrasse 60, Zürich
Dauer: wird noch bekannt gegeben
Kosten: Kollekte