Martian M. Mächler – a hug

Vernissage: 4. Dezember 2025 um 18Uhr mit Briefkatzenbar








Martian M. Mächler
Bild: Martian M. Mächler

Karin Würmli – fragile-singularitäten-hot-spot

10. Oktober 2025 bis 23. November 2025






Weisse Kreidezeichnungen auf der Scheibe der Telefonkabine von ring ring verwehre den Betrachter:innen zum Teil den Blick ins Innere. Das Objekt wirkt verlassen, nicht mehr in Gebrauch. Telefonkabinen boten einen sicheren Ort um beispielsweise nach
Hause zu telefonieren oder auch, falls nötig, um Hilfe anzufordern. Heute übernehme diese Funktionen die Handys, die Kabinen sind deshalb obsolet geworden und verschwinden. Die Künstlerin Karin Würmli ist für dieses Werk von den leeren Schaufenstern, die sie auf ihren Reisen nach Süditalien immer wieder antrifft, inspiriert worden. Beim näheren Betrachten sieht man in der Kabine eine Keramikskulptur, die etwas erhöht auf einem Sockel steht. Zwei Arme – deren Bestandteile in „Orecchiette“ - Technik geformt wurden – ragen in die Höhe. Zeigefinger und Daumen bilden einen Kreis und implizieren, dass „alles gut ist“. Vulkane, Fruchtbarkeits- und Unendlichkeitszeichen aus Ton sind um die Skulptur plaziert. Es scheint, als ob es sich dabei um ein Orakel handelt, das auf einem Altar gehuldigt wird. Allerdings bleibt unklar, was denn „alles gut ist“, zumal an unterschiedlichen Stellen Risse feststellbar sind. Und inwiefern es sich dabei um einen wichtigen Ort, eben um einen hot – spot, handelt oder ob Karin Würmli mit dem Wortspiel eher auf die heissen Flecken/Vulkane verweist. Und ob sie im Titel fragile – singularitäten – hot – spot auf das Verschwinden der Telefonkabinen Bezug nimmt, auf das nicht mehr telefonieren können oder ob die Künstlerin auf den Begriff des schwarzen Lochs und den Zustand an dem bestimmte Eigenschaften unendlich werden, verweist. Die Skulptur bleibt hinter Glas geheimnisvoll und nicht greifbar.

Karin Würmli (*1977) ist in Florenz, Neapel und Wil aufgewachsen. Sie lebt und arbeitet in Zürich.
2001 schloss Karin Würmli ihren Bachelor in Fine Arts an der F + F in Zürich ab. Es folgten Weiterbildungen in Archäologie, Restauration und Malerei und 2016 vervollständigte sie ihre Kunstausbildung mit einem Master of Fine Arts in Basel.
Während ihren Ausbildungsjahren arbeitete Karin Würmli als Möbelrestauratorin, im archäologischen Dienst und viele Jahre auch in der Galerie Mai 36. Diese Tätigkeite und ihre Kleinkinderjahre in Italien prägen die Künstlerin bis heute. Ihre Herangehensweise unterscheidet sich dabei je nachdem mit welcher Technik sie arbeitet. Zum Beispiel malt Karin Würmli Bilder ohne vorher ein Thema bestimmt zu haben – sie gibt die Kontrolle ab und lässt das Werk entstehen, im besten Fall erreicht sie dabei einen tranceähnlichen Zustand. Anders beim Zeichnen, wo sie versucht in den Fokus zu kommen. Inhaltlich beschäftigt sich Karin Würmli mit Ritualen, Wiederholungen und Fiktion.

Bilder: Christian Beutler, Text: Sibylle Meier

Mia Diener – call the tree

28. August 2025 bis 28. September 2025



Mehrere Äste und Wurzeln hat Mia Diener in der Telefonkabine ring ring arrangiert. Es handelt sich um Fundstücke aus der Umgebung von Winterthur – Gehölz, da offenbar bereits lange entwurzelt und am Boden gelegen hat. Dadurch wirkt es deplatziert, seiner Funktion beraubt, von der Natur entkoppelt und ohne unmittelbare Verbindung zu seinem Ursprung. In den Gabelungen der Äste sind einzelne farbig Telefonhörer installiert, auch sie sind von ihrer Funktion enthoben, keine Kommunikatio findet mehr statt. Kein Telefonklingeln ist zu hören, stattdessen erfülle andere Klänge den Raum - von Musik über Naturgeräusche bis hin zu elektronische Tönen. Der Soundteppich ist mal schnell, mal schrill, mal laut – manchmal auch leis und ruhig. Es scheint, als ob die Musik das Totholz ruft, der Titel des Werkes call the tree unterstreicht diese Intention. Mia Diener macht auf die Vielfalt an Insekten, Pilzen Moosen und Vögeln, die dank dem abgestorbenen Holz einen wichtigen Lebensrau erhalten, aufmerksam. Und das Totholz in der Telefonkabine ist zwar trotz Musik am falschen Ort, aber regt zu Diskussion an – und eine neue Kommunikation entsteht.

Mia Diener, (*1982) lebt und arbeitet in Winterthur. Ihre künstlerische Ausbildung
absolvierte sie an der Kunstschule F+F in Zürich. Sie beinhaltete auch ein Austauschsemester in Boston und 2009 erhielt sie ein Atelierstipendium in Kairo. In ihrem Schaffen beschäftigt sie sich mit den Themen Zeit und Natur und damit welchen Umgang wir mit ihr pflegen. Dabei spielt auch Erinnerung eine zentrale Roll und die damit verbundene Vergänglichkeit. Zeit, die zerrinnt. Die Künstlerin arbeite bevorzugt mit ihren Händen und schafft mit analogen Drucktechniken, Collagen Mapping und Malerei. Ihre bevorzugte Arbeitsweise ist die ortsspezifische Installation die sie erzählerisch und poetisch umsetzt. Eine wichtige Inspirationsquelle ist für Mia Diener der Wald und ihre Träume.
Bilder: Christian Beutler, Text: Sibylle Meier

Andrea Cindy Raemy – Inorganic sympathy, inorganic symphony

5. Juni 2025 bis 10. August 2025



In der Anfangsphase macht Andrea Cindy Raemy vor Ort Notizen, misst die Telefonkabine und transkribiert das Beobachtete. Durch den Einsatz von Material und Körper findet sie im prozessartigen Arbeiten im Atelier die finale Form. Für ring ring entsteht eine Installation aus Draht, Holz und Textil, die auf dem Dach positioniert ist, einem Anbau ähnlich. Diese architektonische Skulptur nimmt Bezug auf Veränderung und Bedürfnisse der Umgebung. Im Werktitel Inorganic sympathy, inorganic symphony wiederholt Andrea Cindy Raemy einerseits Wörter und anderseits sind sie nicht vollumfänglich identisch, haben sich verändert und bilden dennoch zusammen den Rhythmus der Sinfonie, deren Resonanzkörper die Telefonkabine in Kombination mit dem Anbau und dem Ort zu sein scheint. Der Draht aus Stahl ist gebogen und zusammen geschweisst, das Ahornholz – aus demselben Holz wie der Baum neben der Kabine – mit Schnitzwerkzeug bearbeitet. Ein fratzenhaft-anmutendes Gesicht, das den Betrachter*innen die Zunge herausstreckt, wurde von der Künstlerin als Relief geschnitzt. Referenz ist die Groteske, ein Bauelement mit mythischem Charakter, das an Fassaden angebracht wird, um das Böse fernzuhalten. Es bleibt allerdings offen, ob die Beziehung zwischen der Kabine und dem Ahornbaum angespannt ist oder ob sie sich miteinander verbunden haben und als Kompliz*innen agieren. Der Stahldraht ist pulverbeschichtet worden und schimmert nun in einem Hellgrau. Mit dieser Anpassung erhält das Material, der Stahl, eine Aufwertung, die sich auch im ornamentalen der Skulptur widerspiegelt. Das Ausgangsmaterial, das vorwiegend in der Industrie Verwendung findet, ist zu Kunst erklärt. Durch das Zusammenspiel von Material und Mensch hinterfragt Andrea Cindy Raemy Klassifizierungen wie hohe und niedrige Kunst oder auch Handwerk und Kunstwerk. Sie versucht binäre Vorstellungen von Produktionsformen und vom Wert der Materialen aufzubrechen.

Andrea Cindy Raemy, (*1980) lebt und arbeitet in Biel/Bienne und absolvierte ihre künstlerische Ausbildung an der ZHdK in Zürich und an der HKB in Bern, dort schloss sie 2024 ihr Studium mit einem Master in Fine Art ab. Andrea Cindy Raemy
arbeitet mit unterschiedlichen Materialen wie Textil, Holz, Metall oder Plastik und schafft Installationen und Skulpturen, die vom Handwerk inspiriert sind und von ihr in den Kunstkontext transformiert werden. Wichtig ist für sie die Prozessarbeit in
Verbindung mit dem jeweiligen Material. Mit dem Einsatz des eigenen Körpers und durch freies Assoziieren entsteht ein neuer Materialismus 2 der dazu beiträgt, dass die Materie in ein Kunstwerk überführt wird.

Der Titel der Arbeit ist vom Vortrag "Powers of the Hoard: Artistry and Agency in a World of Vibrant
Matter“ der Theoretikerin Jane Bennet, inspiriert. Andrea Cindy Raemy nimmt Bezug auf folgendenSatz: „It’s made of stuff, I’m made of stuff, there’s an inorganic sympathy, a connection between an object and I.“


2 Die Künstlerin setzt sich mit dem Werk der amerikanischen Physiker*in und Philosoph*in Karen
Barad auseinander, die den neuen Materialismus prägte, https://politicalecology.blogs.unihamburg. de/der-neue-materialismus/.

Bilder: Christian Beutler, Text: Sibylle Meier

Das Projekt wird unterstützt durch die Stadt Biel/Bienne und SWISSLOS - Kultur Kanton Bern


Samuel Haettenschweiler – Gegen die Linie

10. April 2025 bis 25. Mai 2025



Vier Bauprofile sind auf dem Areal des Basislagers von weitem sichtbar. Sie markieren die Ecken der Telefonkabine ring ring, die längst ihre ursprüngliche Funktion verloren hat. Sie strecken sich entlang der Kanten empor, neigen sich, biegen sich, dringen in den Innenraum ein oder ragen in den umgebenden Raum hinaus. Es entsteht der Eindruck, als würde die Kabine erweitert. Anstelle von Abbau und Verschwinden – wie es vielen noch bestehenden Telefonkabinen droht – hier Ausbau und Präsenz. Dieser Impuls wird gebrochen, weil die Profile keine klassischen Absteckhilfen mehr sind, sondern Skulpturen, die ein Eigenleben suggerieren. Sie nehmen Raum in Besitz, werden zu Handlungsträgern und emanzipieren sich so aus der Rolle der passiven Stellvertreter. Gegen die Linie verweist auf eine mögliche Zukunft, eine Fiktion dessen, was sein könnte – und verändert zugleich die Wahrnehmung des gegenwärtigen Orts. Das Werk verhandelt Mechanismen der Verdichtung und der Umgestaltung im urbanen Kontext. Es stellt Fragen nach Themen wie Inbesitznahme von Raum, Gentrifizierung oder auch auf das Verschwinden von Nischen im öffentlichen Raum. Das Basislager kann dabei als Sinnbild für die prekäre Verfügbarkeit von Freiräumen in der Stadt stehen.

Samuel Haettenschweiler, (*1976) lebt und arbeitet in Zürich. Seine künstlerische Ausbildung absolvierte er an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) sowie an der Universität der Künste Berlin, (Institut für Kunst im Kontext) und er schloss 2022 sein Masterstudium in Contemporary Art Practice an der Hochschule der Künste Bern (HKB) ab. 2024 wurde er mit einem Förderbeitrag des Kantons Zug ausgezeichnet und war Stipendiat des Zentralschweizer Ateliers in New York. In seinem künstlerischen Schaffen interessiert er sich insbesondere für den urbanen Raum und dessen Veränderung. Im Spazieren durch den städtischen Raum erkennt Samuel Haettenschweiler Zusammenhänge, die er in seinem skulpturalen Schaffen reflektiert und transformiert. Wichtige Inspirationsquelle ist der Soziologe Lucius Burkhardt, der zu Beginn der 1980er Jahre die Promenadologie (auch Spazierwissenschaft) etablierte.Die Architektur spielt dabei eine ebenso wichtige Rolle wie die sozialen Räume. Skulptur, Assemblagen mit gefundenen Objekten, Fotografie und grossformatige Installationen im öffentlichen Raum entstehen, werden in verschiedene Kontexte übersetzt und sollen zu neuen Denkräumen anregen.

1 Die Spazierwissenschaft ist eine kulturwissenschaftliche und ästhetische Methode, die beabsichtigt, die Bedingungen der Wahrnehmung der Umwelt bewusst zu machen und die Umweltwahrnehmung zu erweitern. Sie basiert sowohl auf einer kulturgeschichtlichen Analyse von Formen der Umweltwahrnehmung als auch auf experimentellen Praktiken zur Umweltwahrnehmung wie reflexive Spaziergänge und ästhetische Interventionen. https://de.wikipedia.org/wiki/Promenadologie

Bilder: Christian Beutler, Text: Sibylle Meier