Balca Ergener – The weather feels | does not feel like home, 2023
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Vernissage 7. Dezember 2023, ab 18Uhr mit Barbetrieb



Im Werk The weather feels | does not feel like home, setzt sich Balca Ergener mit Fragmenten der Identität auseinander. Mit der Beziehung zwischen Zuhause und dem Körper, zwischen dem Körper und der ihn umgebenden Materie, mit Entwurzelung und der rasanten Veränderung in der Umgebung. Auf der Rückwand der Telefonkabine von ring ring hängt eine formatfüllende Fotografie. Sie zeigt die Aufsicht auf die Wasseroberfläche eines Brunnens, der im Gezi-Park in Istanbul steht. Die Zweidimensionalität der Fotografie erweitert die Künstlerin collageartig mit dem Bild eines Betonklotzes. Dieses Artefakt einer Baustelle steht für den stetigen anthropogenen Wandel der Lebensräume. Zwei Sujets, die scheinbar nicht zusammen passen und physikalische Gesetze ausser Kraft setzen: Einerseits stellt die Collage die Leichtigkeit des Wassers dar, das immer in Bewegung ist und anderseits die Schwere des statischen Steins, welcher seinem Gewicht zum Trotz auf der Oberfläche schwebt. Jedoch stehen beide gleichermassen für Veränderung. Die Künstlerin wechselt selbst zwischen zwei Welten hin und her, pendelt von der Schweiz in die Türkei und wieder zurück. Das führt zu einem Gefühl der Ungebundenheit. Dieses Spannungsfeld übersetzt Balca Ergener in Morsezeichen. Und erinnert sich daran, dass früher in Telefonkabinen nach Hause telefoniert wurde, während nun fortwährend der Satz The weather feels | does not feel like home blinkt.

Balca Ergener ist 1980 in Istanbul geboren und aufgewachsen. Ihre Kunstausbildungen absolvierte sie in New York, Istanbul und in Zürich. Seit 2017 arbeitet und lebt sie mit ihrer Familie in der Schweiz. Inhaltlich beschäftigt sie sich mit alltäglichen Situationen und versucht diese mittels Verfremdung in neue Kontexte zu setzen und ermöglicht so neue Sichtweisen auf Altbekanntes. Die Arbeiten setzt sie mit Hilfe von Fotografie, Film und Texten um. Sie sind oft partizipatorisch angelegt, münden in Buchprojekten oder sind performativ, unter anderem mit dem Kollektiv M. Paradoxa.

1 Als Proteste in der Türkei 2013, auch Gezi-Proteste, werden Demonstrationen
und Aktionen von Bürgern in der Türkrei gegen die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Ergogan zusammengefasst. Die Protestwelle begann am 28. Mai 2013 Istanbul mit Demonstrationen gegen ein geplantes Bauprojekt auf dem Gelände desGezi- Parks, der unmittelbar an den Taksim-Platz angrenzt. (Quelle, Wikipedia).



Text: Sibylle Meier
Bilder: Balca Ergener




Sabine Hagmann – Ferngespräch, 2023

12. Oktober bis 30. November 2023 



Mit überlappenden farbigen Sichtmäppchen und Fotografien auf Folien klebt Sabine Hagmann die Fenster von ring ring zu und verwehrt damit einen unmittelbaren Blick ins Innere. Laut der Künstlerin besitzt eine Telefonkabine ein Innen, ein Aussen und einen weiteren Raum, der einzig derjenigen Person zugänglich ist, die in der Kabine steht und mit der Person in der Ferne telefoniert. Dieser unsichtbare Raum ermöglicht eine Verbindung zwischen Menschen, die physisch getrennt sind. Der Werktitel Ferngespräch unterstreicht zusätzlich deren Distanz, aber auch die Nähe, handelt es sich doch um ein Gespräch. Ein Licht im Innern bringt die Farbflächen zum Leuchten und erinnert an Glasmalereien. Ob die Künstlerin damit den unbetretbaren Raum und das private Gespräch unterstreichen will oder ob bei ihr das Leuchten für eine Sehnsucht steht, bleibt offen. Jedoch gewährt Sabine Hagmann mit Fotografien, die sie auf Folien kopiert und zwischen die Sichtmäppchen klebt, mögliche Einblicke in denkbare Räume. Die Sujets, die aus der Serie immediate beauty ausgewählt wurden, zeigen Fragmente von Plätzen, Häuserfassaden oder auch von Pflanzen, die einen unmittelbaren Bezug zum Baum, der draussen steht, herstellen. Die Grenzen zwischen Innen und Aussen lösen sich auf. Zudem scheinen die Bilder die Sehnsucht nach Unbekanntem zu widerspiegeln oder vielleicht den Wunsch nach Heimat.

Sabine Hagmann ist 1965 in Basel geboren. In Zürich, wo sie seit 1989 lebt, studierte sie zuerst Fotografie und erweiterte später ihre Ausbildung mit einem Master in Fine Art am Goldsmiths College in London. Künster*innenresidenzen ermöglichen Sabine Hagmann immer wieder längere Aufenthalte im Ausland, dort findet sie auch viele ihrer Bilder. Es entstehen neue Arbeiten mit unterschiedlichen Medien, insbesondere mit Fotografie, Video und Worten. Oftmals installativ, performativ oder partizipatorisch. Die Auseinandersetzung mit existentiellen Fragen über das eigene Sein in Beziehung mit dem Gegenüber in Raum und Zeit ist dabei zentral.


Text: Sibylle Meier
Bilder: Christian Beutler




Denis Savi – Un luogo qualunque, 2023

24. August bis 30. September 2023 


                                                     
In der Telefonkabine von ring ring klingelt es nicht. Aber beim Betrachten der Arbeit Un luogo qualunque1 von Denis Savi, der neonfarbige Text, der nachts blau leuchtet: La vita è quel rumore di fondo che scorre tra una doccia e l’altra2, scheint es, als ob ein Wasserrauschen zu hören sei. Der Künstler lädt mit diesen Zeilen ein, über das Leben nachzudenken. Die Inspiration dafür findet er im öffentlichen Raum, zum Bespiel in Toiletten: Banalitäten und Alltagsphilosophie, die auf die Wände gekritzelt wurden und ihn dazu anregen, einen ebenfalls banal anmutenden Satz, handgeschrieben, in Neon zu verewigen. Die Materialwahl und die übergrossen Buchstaben betonen die Dringlichkeit der Aussage, die beinahe andächtig wirkt und auf die Nichtigkeit des Lebens verweist. Spielerisch und eindringlich zugleich, laut dem Künstler auch eine Erinnerung an die eigene Kindheit auf dem Luna Park und mit den vielen Leuchtschriften, die verheissungsvoll auf das pralle Leben aufmerksam machten. Vielleicht eine Aufforderung das Leben zu geniessen, überall und jeden Tag. Oder vielleicht die Illusion des unbeschwerten Gefühls, das permanente Grundrauschen des Alltags mit seinen gesellschaftlichen Konventionen für die kurze Dauer einer Dusche, überdecken zu können.

Denis Savi ist 1979 in Belluno in Norditalien geboren und aufgewachsen. Nach seiner Grundausbildung zum Elektroinstallateur, der Berufmatura und seinem Masterstudium in Geschichte an der Universität in Bologna entwickelte er den Wunsch sich nicht nur akademisch mit dem kollektiven Erinnern oder den geografischen Grenzen zu beschäftigen, sondern auch im künstlerischen Kontext. Es folgen Kunstausbildung an der F+F in Zürich und seit 2022 Masterstudiengang CAP an der Hochschule der Künste in Bern. In seinen Arbeiten thematisiert Denis Savi oft Erinnerung und Vergänglichkeit, löst performativ Grenzen auf und öffnet neue Sichtweisen auf historische Gegebenheiten.

1 Übersetzung von Un luogo qualunque: Irgendein Ort.
2 Übersetzung von La vita è quel rumore di fondo che scorre tra una doccia e l’altra:
Das Leben ist das Hintergrundsgeräusch, das zwischen einer Dusche und der nächsten fliesst.



Text: Sibylle Meier
Bilder: Christian Beutler



Silvia Popp aka silviapopp.rocks – something went wrong, 2023

8. Juni bis 30. Juli 2023 


Alexander Graham Bell gilt gemeinhin als Erfinder des Telefons. Allerdings beschäftigte sich der Pionier Johann Philipp Reis schon ein paar Jahre davor mit akustischen Signalen. Den ersten Satz, den der Deutsche über elektronische Kabel übermittelte, war: «Das Pferd frisst keinen Gurkensalat». Dieser banale und auch absurde Satz inspiriert die zeitgenössische Künstlerin Silvia Popp. Sie schafft für Ring Ring ein ortsspezifisches Werk mit dem Titel something went wrong. Dafür kreiert sie einen Pferdekopf aus Karton und Klebeband. Die Performerin stülpt sich den Kopf gleich selbst über, so dass sie sich in ein Mischwesen verwandelt, Mensch und Tier in einem. Die Betrachter*innen erblicken allerdings nicht Silvia Popp in der Telefonkabine, sondern deren Abbild. Über Lautsprecher kann ein Dialog mitgelauscht werden. Die Einstiegsfrage lautet: «Frisst das Pferd Gurkensalat»? Es handelt sich dabei um eine Frage der Künstlerin, auch wenn sie durch die männliche Stimme entpersonifiziert worden ist. Silvia Popp bleibt somit anwesend und abwesend zugleich. Ausführliche Antworten auf die Fragen liefert eine weibliche Stimme, die, sobald komplexere Themen auftauchen, einzig mit dem Satz: something went wrong, reagieren kann. Das Gegenüber entpuppt sich als durch die weibliche Computerstimme personifizierte künstliche Intelligenz.

Silvia Popp ist 1977 geboren und in Zürich aufgewachsen. Ihre Kunstausbildung hat sie an der F&F in Zürich absolviert und seit 2007 ist sie als Künstlerin silviapopp.rocks unterwegs. Gerne arbeitet sie performativ und ermöglicht durch Intervention neue Sichtweisen auch auf Alltagssituationen. Ideenfindung und Prozessarbeit sind für ihr Schaffen existentiell und ohne Berührungsängste verwendet sie sowohl unterschiedlichste Materialen – gerne auch upcycled – wie auch Technologien und experimentiert damit. High und Low verbinden sich und verschmelzen in der Kunstfigur Silvia Popp, die immer wieder mit viel Humor und Scharfsinn neue Rollen erprobt um neue Kombinationen zu erfinden.


Text: Sibylle Meier
Bilder: Christian Beutler


Peti Wiskemann – HOMO TELEFONICUS, 2023

7. April bis 1. Juni 2023 



In seinem Atelier zerlegt Peti Wiskemann zwei gefundene Holzstühle mit einer Stichsäge und einem Hammer. Die Fragmente schraubt der Künstler danach wieder zusammen und kreiert aus ihnen eine Skulptur. Fundstücke in einen neuen Kontext zu transformieren, ist eine zentrale Arbeitsweise des Künstlers. Aus Stuhlbeinen sind hier Arm, Bein und Teile des Kopfes entstanden, die Rückenlehne bildet sowohl das Becken wie auch ein Bein und die Sitzfläche ist nun Oberkörper geworden. Im linken Arm, der angewinkelt in die Höhe ragt, hält die Figur einen Telefonhörer ans Ohr. Peti Wiskemann nimmt damit vordergründig direkten Bezug zu Ring Ring. Die Rückwand kleidet er zudem mit A4 grossen Blättern aus, auf denen der Künstler mit Tusche fragmentarische Texte über das Telefonieren schreibt.

Die Stühle sind auch ihrem ursprünglichen Zweck, dem Menschen eine Sitzgelegenheit bieten, enthoben. Stattdessen ist eine aufrecht stehende und lebensgrosse Skulptur mit menschlichem Antlitz entstanden.

Anders als der Bildhauer Pygmalion1 in Ovids Metamorphosen schafft Peti Wiskemann keine weibliche Idealfigur, sondern seinen HOMO TELEFONICUS, der die Betrachter*innen dazu einlädt, mit dem Telefonierenden in einen Dialog zu treten und ihm dadurch Leben einzuhauchen.
Oder ist das Werk vielmehr der Alter Ego des Künstlers, der auch nostalgisch über die Zeit nachdenkt, in der lange Telefongespräche mit analogem Gerät seine hauptsächliche Kommunikationsart war?

Peti Wiskemann ist 1969 in Männedorf geboren und aufgewachsen. Ursprünglich Grafiker, war er immer wieder auf Reisen und absolvierte Arbeitsaufenthalte im Ausland. Heute ist er als freischaffender Künstler, Illustrator und Dozent in Zürich und international tätig. Ein wichtiger Teil seines Werks ist die enge Zusammenarbeit mit Christine Bänninger, mit der er seit vielen Jahren gemeinsame künstlerische Arbeiten und Aktionen entwickelt und durchführt.


Text: Sibylle Meier
Bilder: Christian Beutler



1 Ovid: Metamorphosen, 8. Auflage 1981/1998, Goldmann Verlag.