Laura Paloma – fyp broken, 2024


11. April 2024 bis 31. Mai 2024


Laura Paloma beschäftigt sich in der Arbeit, die sie für ring ring schafft, mit de Phänomen der Algorithmen, wie sie insbesondere auf Social-Media-Plattforme angewendet werden. Hierfür scrollt sie sich durch TikTok-Seiten und stellt fest, das die FYP (englischer Ausdruck für «for your page», übersetzt bedeutet dies «für deine Seite») von einigen Nutzer*innen nicht mehr funktioniert und diese sich in Kommentaren dazu äussern und beispielsweise fragen, ob auch andere eine kaputte FYP hätten. Solche Textfragmente druckt Laura Paloma auf Papier, schneidet sie aus und klebt sie an die Fensterscheiben der Telefonkabine. Sie sind ihres Kontexts enthoben und von der digitalen in eine analoge Welt transferiert worden. Das Absurde der digitalen Texte mündet in den Kunstkontext und gibt dem Werk auch gleich den Titel fyp broken. Die Grenzen zwischen Nicht-Kunst und Kunst werden dabei aufgelöst. Aus CDs, die Laura Paloma in Brockis findet und von Freunden geschenkt bekommt, bastelt sie zudem ein Mobile aus Sternen, Monden und Herzen, das im Innern der Kabine hängt. Das dreidimensionale, kindlich-kitschige Werk – eine Parodie auf die verführerische Wirkung der Social-Media-Plattformen – stellt mit seinen kaputten CDs als Bausteine eine Metapher für einen endlichen statt unendlichen, einen gebrauchten und sich immer wiederholenden Feed und auf fyp broken dar.

Laura Paloma (*1995) ist im Waadtland aufgewachsen, lebt und arbeitet in Biel. Ihre künstlerische Ausbildung schloss sie 2021 an der Kunsthochschule Bern im Bereich «Literarisches Schreiben» mit einem Master in Contemporary Arts Practice ab. Sie ist als Künstlerin und Autorin tätig und schreibt mehrsprachig. In ihren Arbeiten hinterfragt Laura Paloma die Beziehungen zwischen Bild, Objekt, Text, Sprache und Spiel, vor allem auch online. Im Fokus steht dabei unter anderem die Auseinandersetzung mit der «Meme-Kultur1».

1Ein Meme ist ein kreativer Inhalt, der sich vorwiegend im Internet verbreitet. Dieser ist in der Regel humoristisch und aufheiternd, manchmal auch satirisch und entsprechend gesellschaftskritisch Bei Memes kann es sich um selbsterstellte Werke handeln,
aber auch um montierte oder aus dem ursprünglichen Kontext gerissene Fotografien, Zeichnungen, Animationen oder Filme von anderen. Sie tauchen in Form bewegter und unbewegter Bilder, als Text, Video oder auch Audio auf, sind also nicht an einen Medientyp gebunden. Meist werden Memes über das Internet weitergereicht, wo sie eine virale Verbreitung erlangen. Memes sind ein bedeutender Teil der Netzkultur. (Quelle, Wikipedia).

 

Text: Sibylle Meier
Bild: Johanna Bossart

Monica Germann & Daniel Lorenzi – call me on my cellphone, 2024


8. Februar 2024 bis 31. März 2024



Überlebensgrosse Figuren sind von Monica Germann & Daniel Lorenzi mit schwarzer Tusche direkt auf das Glas der ausrangierten Telefonkabine von ring ring gezeichnet worden. Der Blick ins Innere ist der aufgetragenen Buttermilch wegen verunmöglicht. Der Fokus bleibt auf den Figuren, die zwischen Tür und Glas eingeklemmt scheinen. Holzbretterverschlag, Telefone, Tiere und Insekten, auch sie überdimensional, fügen sich in die Szenerie ein und lassen die Betrachter*innen an Vanitas1 denken. Die Vergänglichkeit ist im Werk des Duos omnipräsent, auch weil sie meist ortsspezifische Interventionen schaffen, die nach der Ausstellungsdauer wieder entfernt werden und für immer verschwinden. Flüchtige Bilder, die nicht für die Ewigkeit gedacht sind, sondern für das Hier und Jetzt. Das Carpe diem ephemerer Bilder. Ob es sich in diesem Œuvre dabei um Selbstportraits handelt und Germann & Lorenzi sich als Tableau vivant in der Zeichnung für kurze Zeit einfügen, muss offen bleiben. Die ehemalige Telefonkabine reiht sich jedoch in das Themenfeld der beiden ein, auch hier wird auf die technische Veränderung fokussiert, auch wenn es sich dieses Mal um Kommunikation und nicht um Musik dreht: Von analog zu digital, vom Telegramm zum Kabeltelefon bis zum drahtlosen digitalen Handy. Und wie es der Titel der Arbeit unterstreicht: call me on my cellphone.

Monica Germann (*1966) ist in St. Gallen geboren und Daniel Lorenzi (*1963) in Solothurn. Nachdem sie ihre Ausbildungen an der heutigen Zürcher Hochschule der Künste in den Fachbereichen Malerei/Zeichnung, Film/Animation und Fotografie abschlossen, arbeiten sie seit 1995 als Künstlerduo Germann/Lorenzi in Zürich zusammen. Sie setzen sich mit Zeichnung, Malerei, Rauminstallation, Objekt, Video und Musik auseinander. Manchmal kombinieren sie ihre Arbeiten auch mit performativen Aktionen. Eine zentrale Rolle spielt dabei meist die Musik und deren technische Veränderung: Von analog zu digital, von der Schallplatte zur CD, vom musikalischen Datenträger bis zum rein digitalen Speichermedium. Das vergangene Medienzeitalter wird kurzzeitig als Wandzeichnung in Tusche gebannt und mit  Sujets, die in der Natur und im Alltag zu finden sind, neu kombiniert.
Monica Germann & Daniel Lorenzi


1 Unter Vanitas versteht man die symbolische Darstellung der Unbeständigkeit und Zerbrechlichkeit menschlichen Lebens, in: Symbole und Allegorien, Bildlexikon der Kunst Band 3, Berlin 2003, S. 360.


Text: Sibylle Meier
Bilder: Christian Beutler

Balca Ergener – The weather feels | does not feel like home, 2023

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7. Dezember 2023 bis 31. Januar 2024


Im Werk The weather feels | does not feel like home, setzt sich Balca Ergener mit Fragmenten der Identität auseinander. Mit der Beziehung zwischen Zuhause und dem Körper, zwischen dem Körper und der ihn umgebenden Materie, mit Entwurzelung und der rasanten Veränderung in der Umgebung. Auf der Rückwand der Telefonkabine von ring ring hängt eine formatfüllende Fotografie. Sie zeigt die Aufsicht auf die Wasseroberfläche eines Brunnens, der im Gezi-Park in Istanbul steht. Die Zweidimensionalität der Fotografie erweitert die Künstlerin collageartig mit dem Bild eines Betonklotzes. Dieses Artefakt einer Baustelle steht für den stetigen anthropogenen Wandel der Lebensräume. Zwei Sujets, die scheinbar nicht zusammen passen und physikalische Gesetze ausser Kraft setzen: Einerseits stellt die Collage die Leichtigkeit des Wassers dar, das immer in Bewegung ist und anderseits die Schwere des statischen Steins, welcher seinem Gewicht zum Trotz auf der Oberfläche schwebt. Jedoch stehen beide gleichermassen für Veränderung. Die Künstlerin wechselt selbst zwischen zwei Welten hin und her, pendelt von der Schweiz in die Türkei und wieder zurück. Das führt zu einem Gefühl der Ungebundenheit. Dieses Spannungsfeld übersetzt Balca Ergener in Morsezeichen. Und erinnert sich daran, dass früher in Telefonkabinen nach Hause telefoniert wurde, während nun fortwährend der Satz The weather feels | does not feel like home blinkt.

Balca Ergener ist 1980 in Istanbul geboren und aufgewachsen. Ihre Kunstausbildungen absolvierte sie in New York, Istanbul und in Zürich. Seit 2017 arbeitet und lebt sie mit ihrer Familie in der Schweiz. Inhaltlich beschäftigt sie sich mit alltäglichen Situationen und versucht diese mittels Verfremdung in neue Kontexte zu setzen und ermöglicht so neue Sichtweisen auf Altbekanntes. Die Arbeiten setzt sie mit Hilfe von Fotografie, Film und Texten um. Sie sind oft partizipatorisch angelegt, münden in Buchprojekten oder sind performativ, unter anderem mit dem Kollektiv M. Paradoxa.

1 Als Proteste in der Türkei 2013, auch Gezi-Proteste, werden Demonstrationen
und Aktionen von Bürgern in der Türkrei gegen die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Ergogan zusammengefasst. Die Protestwelle begann am 28. Mai 2013 Istanbul mit Demonstrationen gegen ein geplantes Bauprojekt auf dem Gelände desGezi- Parks, der unmittelbar an den Taksim-Platz angrenzt. (Quelle, Wikipedia).



Text: Sibylle Meier
Bilder: Christian Beutler




Sabine Hagmann – Ferngespräch, 2023

12. Oktober bis 30. November 2023 



Mit überlappenden farbigen Sichtmäppchen und Fotografien auf Folien klebt Sabine Hagmann die Fenster von ring ring zu und verwehrt damit einen unmittelbaren Blick ins Innere. Laut der Künstlerin besitzt eine Telefonkabine ein Innen, ein Aussen und einen weiteren Raum, der einzig derjenigen Person zugänglich ist, die in der Kabine steht und mit der Person in der Ferne telefoniert. Dieser unsichtbare Raum ermöglicht eine Verbindung zwischen Menschen, die physisch getrennt sind. Der Werktitel Ferngespräch unterstreicht zusätzlich deren Distanz, aber auch die Nähe, handelt es sich doch um ein Gespräch. Ein Licht im Innern bringt die Farbflächen zum Leuchten und erinnert an Glasmalereien. Ob die Künstlerin damit den unbetretbaren Raum und das private Gespräch unterstreichen will oder ob bei ihr das Leuchten für eine Sehnsucht steht, bleibt offen. Jedoch gewährt Sabine Hagmann mit Fotografien, die sie auf Folien kopiert und zwischen die Sichtmäppchen klebt, mögliche Einblicke in denkbare Räume. Die Sujets, die aus der Serie immediate beauty ausgewählt wurden, zeigen Fragmente von Plätzen, Häuserfassaden oder auch von Pflanzen, die einen unmittelbaren Bezug zum Baum, der draussen steht, herstellen. Die Grenzen zwischen Innen und Aussen lösen sich auf. Zudem scheinen die Bilder die Sehnsucht nach Unbekanntem zu widerspiegeln oder vielleicht den Wunsch nach Heimat.

Sabine Hagmann ist 1965 in Basel geboren. In Zürich, wo sie seit 1989 lebt, studierte sie zuerst Fotografie und erweiterte später ihre Ausbildung mit einem Master in Fine Art am Goldsmiths College in London. Künster*innenresidenzen ermöglichen Sabine Hagmann immer wieder längere Aufenthalte im Ausland, dort findet sie auch viele ihrer Bilder. Es entstehen neue Arbeiten mit unterschiedlichen Medien, insbesondere mit Fotografie, Video und Worten. Oftmals installativ, performativ oder partizipatorisch. Die Auseinandersetzung mit existentiellen Fragen über das eigene Sein in Beziehung mit dem Gegenüber in Raum und Zeit ist dabei zentral.


Text: Sibylle Meier
Bilder: Christian Beutler




Denis Savi – Un luogo qualunque, 2023

24. August bis 30. September 2023 


                                                     
In der Telefonkabine von ring ring klingelt es nicht. Aber beim Betrachten der Arbeit Un luogo qualunque1 von Denis Savi, der neonfarbige Text, der nachts blau leuchtet: La vita è quel rumore di fondo che scorre tra una doccia e l’altra2, scheint es, als ob ein Wasserrauschen zu hören sei. Der Künstler lädt mit diesen Zeilen ein, über das Leben nachzudenken. Die Inspiration dafür findet er im öffentlichen Raum, zum Bespiel in Toiletten: Banalitäten und Alltagsphilosophie, die auf die Wände gekritzelt wurden und ihn dazu anregen, einen ebenfalls banal anmutenden Satz, handgeschrieben, in Neon zu verewigen. Die Materialwahl und die übergrossen Buchstaben betonen die Dringlichkeit der Aussage, die beinahe andächtig wirkt und auf die Nichtigkeit des Lebens verweist. Spielerisch und eindringlich zugleich, laut dem Künstler auch eine Erinnerung an die eigene Kindheit auf dem Luna Park und mit den vielen Leuchtschriften, die verheissungsvoll auf das pralle Leben aufmerksam machten. Vielleicht eine Aufforderung das Leben zu geniessen, überall und jeden Tag. Oder vielleicht die Illusion des unbeschwerten Gefühls, das permanente Grundrauschen des Alltags mit seinen gesellschaftlichen Konventionen für die kurze Dauer einer Dusche, überdecken zu können.

Denis Savi ist 1979 in Belluno in Norditalien geboren und aufgewachsen. Nach seiner Grundausbildung zum Elektroinstallateur, der Berufmatura und seinem Masterstudium in Geschichte an der Universität in Bologna entwickelte er den Wunsch sich nicht nur akademisch mit dem kollektiven Erinnern oder den geografischen Grenzen zu beschäftigen, sondern auch im künstlerischen Kontext. Es folgen Kunstausbildung an der F+F in Zürich und seit 2022 Masterstudiengang CAP an der Hochschule der Künste in Bern. In seinen Arbeiten thematisiert Denis Savi oft Erinnerung und Vergänglichkeit, löst performativ Grenzen auf und öffnet neue Sichtweisen auf historische Gegebenheiten.

1 Übersetzung von Un luogo qualunque: Irgendein Ort.
2 Übersetzung von La vita è quel rumore di fondo che scorre tra una doccia e l’altra:
Das Leben ist das Hintergrundsgeräusch, das zwischen einer Dusche und der nächsten fliesst.



Text: Sibylle Meier
Bilder: Christian Beutler