Geschichte der Telefonkabine


Ab 1904 werden in der Schweiz erste automatische Kassierstationen eingeführt, die direkt mit Kleingeld gefüttert werden können. Zum Durchbruch verhelfen der freistehenden Telefonkabine die Automatisierung der Telefonie und die zwischen 1928 und 1933 eingeführten Kassierstationen mit Wählscheibe. Per Selbstwahl können nun Orts- aber auch Ferngespräche innerhalb der Schweiz getätigt werden. Noch muss man sich allerdings kurz fassen. Die Gesprächszeit ist auf drei Minuten beschränkt – Münz nachwerfen war anfangs noch nicht möglich. Die Kassierstation befindet sich zu dieser Zeit jeweils im Innern einer Plakatsäule. Gleich unter dem Dachüberstand prangt der Schriftzug „TELEPHON“ in weissen Lettern auf rotem Grund. Gemein ist den ersten Typen, dass sie alle etwas überhöht wirken. Das Erscheinungsbild lässt erkennen, dass es sich eigentlich um klassische Litfasssäulen mit Zusatzfunktion handelt. Dabei unterscheiden sich diese Kleinarchitekturen von Stadt zu Stadt im Detail.

Im Zweiten Weltkrieg erlebt das Telefonieren in der Schweiz einen Popularisierungsschub. Das Telefon vermittelt Kontakte zwischen Soldaten im Aktivdienst und Angehörigen und lässt viele erstmals Erfahrungen mit diesem Medium sammeln. Telefongespräche verlieren in dieser schwierigen Situation den Ruch des Belanglosen und Trivialen. In der Folge wird das Telefonieren nach 1945 alltäglich und wegen sinkenden Gebühren für breite Bevölkerungsschichten erschwinglich. Nach 1960 fabrizierten dann sechs übers Land verteilte und von der PTT ausgewählte Schlossereibetriebe die Telefonkabine in Serie. Das Kabineninnere ist nüchtern gehalten. Eine hohe Zuverlässigkeit hat Priorität: Die Kassierstation verfügt über einen eingebauten elektrischen Heizkörper, der den Apparat auch im Winter zuverlässig funktionieren lässt. Über dem Telefon finden sich eine Taxtabelle und eine Bedienungsanleitung. Eine Art massives Pult beherbergt die Telefonbücher diebstahlsicher.



2016 definiert der Bundesrat die Grundversorgung im Fernmeldebereich neu. Damit entfällt ab 2018 für die Swisscom die Pflicht, landesweit Telefonkabinen zu unterhalten. Sie sind ohnehin Auslaufmodelle – verdrängt durch einen boomenden Mobiltelefonmarkt. Laut Swisscom ging die Anzahl Publifon-Gesprächen zwischen 2004 und 2016 um 95 Prozent zurück. Am 4. Juli 2021, 23:58 Uhr ersteigert Johanna Bossart auf Ricardo eine Telefonkabinen. 2023 entsteht daraus auf dem Gelände vom Basislager Zürich «ring ring».

Textauszug aus: Telefonkabinen – Abschied von den Festnetz-Leitfossilien
von Juri Jaquemet für das Museum für Kommunikation, Bern