Esther Schena – Is this the final print?
5. Dezember 2024 bis 31. Januar 2025
Ein gelber Vorhang bewegt sich im Takt des Ventilators. Die Siebdruckrahmen trocknen währenddessen auf einer weissen Leiter im Sonnenlicht. Es ist heiss auf der Terrasse des Ateliers von Kaali collective in Dhaka. Die Künstlerin Esther Schena führt dort Workshops durch, die weit mehr als die Technik des Siebdrucks erzählen.
Dabei steht weniger das fertige Bild im Vordergrund sondern der Prozess und die Arbeit im Kollektiv. Es wird über die individuellen und gemeinsamen Erfahrungen reflektiert. Alle sprechen dieselbe Sprache, verbal und nonverbal. Aus Erinnerungsbilder des dreiwöchigen Aufenthaltes in Bangladesch kreiert Esther Schena für die Telefonkabine ring ring ein ortspezifisches Werk. Sie verwendet dafür Stoffe, die sie mit einer lichtempfindlichen Emulsion bestreicht, trocknen lässt, um danach diverse Objekte darauf zu plazieren und mit UV-Licht zu belichten. Es handelt sich um die klassische Art einer Siebdruckbelichtung. Allerdings verändert Esther Schena die Emulsion farblich und sie spannt kein Sieb auf einen Rahmen weder bei der Beschichtung noch bei der Belichtung. Diesen unkonventionellen Umgang mit Material und Technik nutzt die Künstlerin, um auch formal auf den Inhalt der Arbeit einzugehen. Es entstehen neue Erinnerungsbilder, zufällige vielleicht, sie sind unscharf und scheinen flüchtig zu sein, der Erinnerung ähnlich. Und es stellt sich den Betrachter*innen die Frage Is this the final print? Oder anders gefragt, kann ein Druckerzeugnis die Erinnerung abbilden? Gibt es nur die eine und wahre Erinnerung? Und was ist, wenn die Erinnerungen verschwinden? Was bleibt dann? Die Schriftstellerin Judith Schalansky schreibt in ihrem Buch Verzeichnis einiger Verluste: «[...], dass der Unterschied zwischen An- und Abwesenheit womöglich marginal ist, solange es die Erinnerung gibt1». Der Künstlerin Esther Schena gelingt dies, in dem sie die Erinnerung in den Kunstkontext transformiert.
Esther Schena (*1976) lebt und arbeitet in Zürich und ist in Graubünden in Val Müstair aufgewachsen. Sie absolvierte zuerst eine Lehre als Siebdruckerin, studierte danach an der F+F Bildende Kunst und vertiefte ihre künstlerische Fähigkeit mit einem Master of Fine Arts an der ZHdK. Zudem entwickelt Esther Schena bis heute den Siebdruck weiter. Sie betreibt dafür nicht nur eine eigene Werkstatt, sondern setzt auch in ihren künstlerischen Arbeiten unterschiedliche Drucktechniken ein, um neue Ausdrucksformen zu finden. Dabei beschäftigt sie sich mit dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren, sowohl auf der technischen Ebene wie auch im philosophischen Kontext. Sie ist Teil des Kollektivs M.Paradoxa und engagiert sich seit 2022 bei Visarte Schweiz als Vizepräsidentin.
1 Judith Schalansky:Verzeichnis einiger Verluste, Berlin, 2018, S. 26.
Text: Sibylle Meier
Bilder: Christian Beutler