Andrea Cindy Raemy – Inorganic sympathy, inorganic symphony
Vernissage 5. Juni 2025 um 18Uhr mit Barbetrieb


In der Anfangsphase macht Andrea Cindy Raemy vor Ort Notizen, misst die Telefonkabine und transkribiert das Beobachtete. Durch den Einsatz von Material und Körper findet sie im prozessartigen Arbeiten im Atelier die finale Form. Für ring ring entsteht eine Installation aus Draht, Holz und Textil, die auf dem Dach positioniert ist, einem Anbau ähnlich. Diese architektonische Skulptur nimmt Bezug auf Veränderung und Bedürfnisse der Umgebung. Im Werktitel Inorganic sympathy, inorganic symphony 1 wiederholt Andrea Cindy Raemy einerseits Wörter und anderseits sind sie nicht vollumfänglich identisch, haben sich verändert und bilden dennoch zusammen den Rhythmus der Sinfonie, deren Resonanzkörper die Telefonkabine in Kombination mit dem Anbau und dem Ort zu sein scheint. Der Draht aus Stahl ist gebogen und zusammen geschweisst, das Ahornholz – aus demselben Holz wie der Baum neben der Kabine – mit Schnitzwerkzeug bearbeitet. Ein fratzenhaft-anmutendes Gesicht, das den Betrachter*innen die Zunge herausstreckt, wurde von der Künstlerin als Relief geschnitzt. Referenz ist die Groteske, ein Bauelement mit mythischem Charakter, das an Fassaden angebracht wird, um das Böse fernzuhalten. Es bleibt allerdings offen, ob die Beziehung zwischen der Kabine und dem Ahornbaum angespannt ist oder ob sie sich miteinander verbunden haben und als Kompliz*innen agieren. Der Stahldraht ist pulverbeschichtet worden und schimmert nun in einem Hellgrau. Mit dieser Anpassung erhält das Material, der Stahl, eine Aufwertung, die sich auch im ornamentalen der Skulptur widerspiegelt. Das Ausgangsmaterial, das vorwiegend in der Industrie Verwendung findet, ist zu Kunst erklärt. Durch das Zusammenspiel von Material und Mensch hinterfragt Andrea Cindy Raemy Klassifizierungen wie hohe und niedrige Kunst oder auch Handwerk und Kunstwerk. Sie versucht binäre Vorstellungen von Produktionsformen und vom Wert der Materialen aufzubrechen.
Andrea Cindy Raemy, (*1980) lebt und arbeitet in Biel/Bienne und absolvierte ihre künstlerische Ausbildung an der ZHdK in Zürich und an der HKB in Bern, dort schloss sie 2024 ihr Studium mit einem Master in Fine Art ab. Andrea Cindy Raemy
arbeitet mit unterschiedlichen Materialen wie Textil, Holz, Metall oder Plastik und schafft Installationen und Skulpturen, die vom Handwerk inspiriert sind und von ihr in den Kunstkontext transformiert werden. Wichtig ist für sie die Prozessarbeit in
Verbindung mit dem jeweiligen Material. Mit dem Einsatz des eigenen Körpers und durch freies Assoziieren entsteht ein neuer Materialismus 2 der dazu beiträgt, dass die Materie in ein Kunstwerk überführt wird.
1 Der Titel der Arbeit ist vom Vortrag "Powers of the Hoard: Artistry and Agency in a World of Vibrant
Matter“ der Theoretikerin Jane Bennet, inspiriert. Andrea Cindy Raemy nimmt Bezug auf folgendenSatz: „It’s made of stuff, I’m made of stuff, there’s an inorganic sympathy, a connection between an object and I.“
2 Die Künstlerin setzt sich mit dem Werk der amerikanischen Physiker*in und Philosoph*in Karen
Barad auseinander, die den neuen Materialismus prägte, https://politicalecology.blogs.unihamburg. de/der-neue-materialismus/.
Bild: Andrea Cindy Raemy Text: Sibylle Meier