Theres Liechti – NIGHT VISIT / IN DER GUTEN STUBE


3. Oktober 2024 bis 30. November 2024


Die Künstlerin Theres Liechti wandelt die Telefonkabine ring ring in einen Leuchtkasten um. Sie montiert dafür Backlitpapier auf die sechs Glasscheiben und beleuchtet sie von innen. Damit verwehrt sie den Blick ins Innere der Kabine. Die Schwarzweiss-Fotografie zeigt konträr dazu den Blick in eine Zimmersituation. Es wirkt als ob sie zufällig entstanden sei. In den linken zwei Ausschnitten ist eine stehende, lachende, männliche Person mit einer Tasche zu sehen. Auf den mittleren zwei Bildteilen liegt eine Frau auf einem Sessel in Decken gehüllt, die Beine sind auf einem Stuhl hochgelagert. Die weibliche Person scheint mit dem Mann zu kommunizieren, ihr Kopf ist ihm zugewandt. Auf der rechten Kabinenseite schaut ein auf dem Sofa liegender Hund, ein Chihuahua, direkt in die Kamera und lädt dazu ein, die Szenerie zu beobachten. Der Titel der Arbeit NIGHT VISIT / IN DER GUTEN STUBE legt nahe, dass hier ein Wohnzimmer präsentiert wird, ein Alltagsmoment, und die Betrachter*innen zu Voyeur*innen werden. Es handelt sich dabei um die «gute Stube» der Künstlerin, die mit einer Infrarotkamera mit Bewegungsmelder experimentiert und Einblicke in ihr privates Leben offenlegt. Diese Kamera wird eigentlich für das Beobachten von Wildtieren benutzt und nicht, um Schnappschüsse im Haushalt zu machen. Es scheint als ob Theres Liechti die zwei Gegensätze - privat versus öffentlich – anhand der Überwachungskamera auslotet. Wissen die Personen, dass sie observiert werden und intime Einblicke in ihr Privatleben für Dritte preisgeben? Und aus welchem Grund werden sie überwacht? Eine Reihe von Bezügen sind denkbar, zu Überwachungskameras im öffentlichen Raum, zur Verarbeitung und Speicherung privater Daten im Internet, zur Kommunikation auf Social Media. Vielleicht bietet die gläserne Hülle der Werkes symbolisch eine Verbindung zum gläsernen Menschen? Unklar bleibt zudem, wer mit dem NIGHT VISIT, dem Nachtbesuch, gemeint ist. Sind es die Protagonist*innen auf der Fotografie, die durch ihre Bewegung das Bild verursachten? Oder sind es die Personen, welche dem persönlichen Moment durch die fotografische Datenerfassung von aussen beiwohnen?

Theres Liechti (*1968 Zürich) lebt und arbeitet seit 1990 in Winterthur und absolvierte an der Zürcher Hochschule der Künste ein Studium in Vermittlung Gestaltung & Kunst. Die Multimediakünstlerin bewegt sich mühelos zwischen zeichnen, fotografieren, filmen und Objektkunst. Die Umwelt und der eigene Alltag dienen ihr dabei als Inspirationsquelle und beschäftigt sich in ihren Werken mit den Heile- Welt- Vorstellungen und deren Fragilität, oft auch mit einem Augenzwinkern.

Text: Sibylle Meier
Bilder: Christian Beutler